Was Brahms und Santana verbindet

Das Klassikjazzrocktrio „Thirty Fingers“ stellt in einem umjubelten Konzert seine erste CD vor

Von Margin Haller-Reif

Gaggenau — Wenn dreißig Finger ausgelassen und virtuos durch die komplette Musikgeschichte tanzen, ist das gleichnamige Klassikjazzrocktrio nicht weit: „Thirty Fingers“, von denen zehn der Flötistin Petra Erdtmann, zehn dem Schlagzeuger Peter Götzmann und zehn dem Pianisten Joe Völker gehören. Fulminant, was das Trio am Freitagabend bei der umjubelten Vorstellung seiner pressfrischen CD „Zeitlos“ auf der klag-Bühne als ureigenen Klangkosmos präsentierte.

Gewandte, wieselflinke, technisch versierte Finger sind es allemal, einzigartig ist das, was die drei mal zehn Finger den jeweiligen Instrumenten entlocken. Die Musiker machen kein großes Aufhebens um sich, sondern lassen, von launigen Zwichenmoderationen abgesehen, vor allem ihre Musik sprechen. Unbekümmert und neugierig wie Kinder auf einer Spielwiese tummeln sich „Thirty Fingers“ in unterschiedlichen Musikepochen, fliegen vom Frühbarock zum Modern Jazz und wieder zurück. Sie erweisen alten Meistern ihre Reverenz, beflügeln deren Werke mit großer Experimentierlust und verweben diese spielerisch leicht und transparent mit zeitgenössischen Klängen.

Spannende neue Klangwelten

Klangfarben, Rhythmen und daraus resultierende Stimmungen wechseln sich nahtlos ab. Tomaso Albinonis Adagio in g-Moll fließt in hellen strahlenden Schwüngen in Pat Methenys „James“. Die Dave-Brubeck-Hommage „Blue Rondo à la Turk“ mündet vom schwelgerischen Pianomonolog über zwitschernde Flötenintermezzi in Vivaldis „Frühling“ aus den „Vier Jahreszeiten“. Das Bachsche Präludium swingt federnd, um sich als Samba in die dazugehörige Fuge zu grooven. Die Flötenläufe steigern sich in berückende Rasanz im berühmten Säbeltanz, während das Schlagzeug dabei bildhaft die rasselnden Säbel figuriert. Alte Melodien paaren sich friedfertig mit jungen Stilmitteln, das Ergebnis ist eine expressive klangliche und rhythmische Collage — zeitlos, aber mit nachhaltiger Frischegarantie.

In spannende Arrangements verpackt, eröffnen sich neue Klangwelten, die verspielt ins Ohr huschen. Quicklebendig und spritzig kommen sie daher, die musikalischen Früchte einer kongenialen Symbiose, die 2006 ihren Anfang nahm. Jeder für sich ein ausgewiesener Profi, bewegen sich die in unterschiedlichsten Projekten involvierten Vollblutmusiker mit schlafwandlerischer Sicherheit in allen Stilen und Genres. So vertraut, dynamisch, verschworen und mit allen Technikwassern gewaschen ihr Zusammenspiel, so selbstverständlich und uneitel überlassen sie sich in furiosen Soli gegenseitig das Feld.

Gleichzeitig prägen ihre individuellen instrumentalen Handschriften unaufdringlich den Charakter der neu entstandenen Kreationen. Aus Petra Erdtmanns Querflöte stiebt ein vielfarbiger Funkenregen, einem klanglichen Regenbogen gleich. Dass sie neben den poetisch bis stürmisch gefärbten Klängen auch die „dreckig“ meckernden im Stil eine Ian Anderson von „Jethro Tull“ beherrscht, beweist sie bei Bachs Bouree. Der gebürtige Gaggenauer Peter Götzmann ist ein Blues- und Jazzrock-Schlagzeuger mit einem bestechenden Timing. Präzise wie eine Schweizer Uhr ist er der Trio-Motor, Puls und Nerv zugleich. Der „Mann wie ein Klavier“ und am Klavier zugleich ist Joe Völker: finessenreich, spitzbübisch, ein agiles Tasten-As und stets zu einem gekonnten instrumentalen Scherz aufgelegt.

Die mitreißende Spielfreude und Verständnissinnigkeit dieses Trios krönen augenzwinkernder Spielwitz und einige Überraschungen! Was Johannes Brahms und Carlos Santana verbindet? Eine Menge! Das wird im direkten Vergleich und umso mehr im Santana-Bossa „Love Of My Life“ ersichtlich. Zum packenden Duell treten danach Klavier und Schlagzeug in Astor Piazzollas „Libertango“ an. Die „Wuth über den verlorenen Groschen“ bei Beethoven zieht ebenso plastisch vor dem geistigen Auge vorüber wie die Atmosphäre in dem „Alten Schloss“ aus Mussorgskis ”Bilder einer Ausstellung“. 

Frenetischer Beifall

„Thirty Fingers“ bescherten ein ebenso funkelndes wie sinnliches Hörerlebnis als vorzeitiges Weihnachtsgeschenk. Wie wunderbar, dass dieses nun auch als Silberling vorliegt. Nach frenetischem Beifall und lautstark geforderten Zugaben waren die „Thirty Fingers“ anders gefordert. Sie signierten CD um CD.

Badisches Tageblatt vom 17.12.12